Als Bond-Bösewicht wurde er weltbekannt, doch auf diese Schurkenrolle wollte er sich nie so richtig festlegen lassen. Im FORUM-Interview spricht Götz Otto über seine Arbeit als Juror beim Max-Ophüls-Festival, die Qualität von TV-Serien und die Kunst, einen Bösewicht zu spielen.
Herr Otto, ist es das erste Mal, dass Sie in so einer Jury sind?
Nein, ich war zum Beispiel letztes Jahr schon beim Filmfest in München, oder auch schon bei diversen Hochschul-Filmfesten.
Macht es Spaß?Oder ist das eher anstrengend?
Die Atmosphäre hier ist sehr locker, man kommt mit den Leuten – sowohl den Filmemachern als auch den Saarbrückern – sehr gut ins Gespräch, das mag ich sehr. Aber natürlich, wenn man in kurzer
Zeit sehr viele Filme ansehen muss, lässt auch irgendwann mal die Aufmerksamkeit etwas nach.
Worauf achten Sie, gibt es spezielle Dinge, die Ihnen wichtig sind?
Naja, es gibt da schon verschiedene Dinge, aber im Grunde gehe ich in so einen Film wie jeder normale Zuschauer auch. Mit – hoffentlich – offenem Herzen, offenen Augen und wachem Kopf. Ich
schaue, ob der Film mich „abholt“, und danach mache ich mir ein paar Gedanken. Da kommen dann solche Sachen wie dramaturgische oder bildgestalterische Aspekte ins Spiel, Schauspielführung und so
weiter. Da gibt es einzelne Aspekte, die man dann abklopft, wenn man einen Film beurteilen muss. Als normaler Zuschauer ist es in erster Linie wichtig, ob einem der Film gefallen hat oder nicht,
als Jurymitglied geht man da unter Umständen etwas anders heran.
Was schauen Sie zur privaten Unterhaltung, wenn es nicht gerade ein „Pflichtprogramm“ ist? Gibt es bei Ihnen so etwas wie die berühmten „Drei Filme für die Insel“?
Ach, drei Filme sind bei solchen Listen immer viel zu wenig. „Der Schrecken der Medusa“ ist zum Beispiel ein Film den ich sehr mag, oder auch „Ikarus“. Die sind beide schon etwas älter, aber
damit ein Film ein „All-Time-Classic“ wird, dafür braucht es schon etwas Zeit. Wenn ich gerade einen aktuellen Film gesehen habe, der mir gut gefallen hat, dann kommt der erst mal auf eine Art
„Beobachtungsliste“. Den muss ich dann schon mehrmals sehen, und eventuell rutscht er dann irgendwann auf die große Liste.
Von welcher Rolle würden Sie sagen: „Das reizt mich, so etwas würde ich gerne mal machen?“
Bei Theaterstücken ist das einfacher, da kennt man ja schon einiges an reizvollen Stücken oder Figuren. Bei Filmen ist das etwas schwieriger, da weiß man ja nie richtig, wie das wird. Ich
könnte jetzt zum Beispiel sagen: „Ich würde gerne mal eine alkoholisierte Transe spielen“, das kann dann eine ganz großartige Figur in einem großartigen Film werden, aber da kann auch ganz großer
Mist rauskommen. Insofern ist das mit diesen „Traumrollen“ immer so eine Sache.
In Amerika war es ja früher so, wer zum Fernsehen ging, war für das große Kino meist „verbrannt“, aber inzwischen machen ja auch die großen Stars bei Fernsehserien mit. Wäre das auch
etwas für Sie, eine tragende Rolle in einer Serie, beispielsweise als „Tatort“-Kommissar?
Das Fernsehen hat ja absolut seine Berechtigung, und da gibt es auch keinen Grund, darauf herabzuschauen – habe ich auch nie getan. Da werden Dinge gemacht, die ganz großartig sind, insbesondere
im Vergleich zu so manchem langweiligen Kinofilm. Wenn das Qualität hat und eine gute Geschichte erzählt, dann gibt‘s da kein Vertun, da wäre ich dabei. Gerade bei diesen neueren amerikanischen
Serien, da gibt es einige, die haben eine Qualität wie ein Kinofilm von 1.500 Minuten. So etwas sehe ich mir dann auch schon mal staffelweise an, und das packt einen dann auch von der ersten bis
zur letzten Folge.
Die Gefahr dabei ist natürlich,dass man dann unter Umständen zu sehr auf so eine Rolle festgelegt wird. Das wäre Ihnen mit Ihrer Rolle als Bond-Schurke ja auch fast
passiert.
Ja, natürlich, so etwas kann natürlich ein Stigma sein. Aber in meinem Fall muss ich sagen, es gibt schlimmere Stigmata als das eines Bond-Bösewichts. Als Schauspieler bin ich aber lange genug im
Geschäft, um damit leben zu können.
War das anfangs eine Belastung für Sie?
Das war natürlich eine Riesensache damals, damit musste ich mich schon auseinandersetzen. Ich habe dann auch tatsächlich ein paar Sachen abgesagt – was möglicherweise in dem einen oder anderen
Fall ein Fehler war – weil ich auch andere Sachen machen wollte und mich nicht auf diese „Killermaschine“ festlegen lassen wollte. Aber das ist über 15 Jahre her, im Nachhinein denke ich da heute
auch ein wenig anders darüber.
Würden Sie die Rolle heute noch mal so spielen?
Ich habe den Film jetzt längere Zeit nicht gesehen, aber zumindest damals war ich mit meiner Leistung recht zufrieden. Ein Bondfilm ist aber auch nicht wirklich dafür prädestiniert, um in so eine
Rolle beispielsweise mehr Subtilität reinzubringen.
In den neueren Bondfilmen wäre das wohl eher möglich. Was halten Sie denn von dieser „neuen“ Richtung, die die Bondfilme jetzt einschlagen?
Ich finde das sehr gut. Es war aber auch absolut notwendig, dass sich Bond neu erfindet. Ursprünglich hat Bond ja diese ganzen Actionfilme und Spionagekrimis erst möglich gemacht, die waren mehr
oder weniger die Ersten – und das als britische Produktionen, was sie übrigens, trotz amerikanischer Geldgeber, bis heute geblieben sind. Aber dann kam eine Zeit, in der andere Filme, wie zum
Beispiel die „Bourne“-Filme, ganz stark in dieses Genre reingedrängt sind. Und die waren dann teilweise wesentlich innovativer, während Bond stehengeblieben ist. Insofern war diese
Neuorientierung notwendig und ist auch sehr gut gelungen. Ich mag auch nicht jeden der neuen Bondfilme, aber sie haben inzwischen wieder eine wesentlich größere Berechtigung in diesem ganzen
Kinogefüge als noch vor zehn Jahren.
Man sagt, um einen richtigen Schurken spielen zu können, müsse man auch ein guter Komödiant sein. Ist da was dran?
Das hat natürlich was mit Lust am Spiel zu tun, mit Freude, und damit natürlich auch mit Humor. An diesen Überhöhungen muss man Spaß haben und sehen, wo man welche Schraube noch ein wenig
andrehen kann, aber auch erkennen, was zu viel ist. Wenn man das knochentrocken und spaßfrei macht, wird es langweilig.
Fällt so etwas schwerer, wenn man einen richtig üblen Nazi spielen muss? Erschrickt man da auch mal vor sich selbst, wenn man sich in diesem Kostüm im Spiegel sieht?
Beim ersten Mal, bei Schindlers Liste, da war das schon ziemlich heftig. Bei einem solchen Film, und dann auch noch in Polen. Aber mittlerweile habe ich diese Uniform so oft getragen… zu sagen,
ich hätte mich daran gewöhnt wäre Quatsch, aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Ich konzentriere mich inzwischen mehr darauf, die Geschichte hinter der Figur zu erzählen.
Was sagen Ihre Kinder, wenn die Sie in so einer Rolle sehen?
Meine Kinder interessieren sich zum Glück relativ wenig dafür, was ich mache. Die schauen, wenn überhaupt, ihre eigenen Filme. Aber bei uns wird auch relativ wenig ferngesehen. Der Vater arbeitet
halt etwas, das ganz interessant ist, aber ihnen ist viel wichtiger, dass ich mit ihnen Zeit verbringe – wie in jeder normalen Familie auch.
An welchen neuen Projekten arbeiten Sie gerade?
Demnächst mache ich ein Hörbuch, und ein wenig Sprecherarbeit, so etwas macht mir sehr viel Spaß. Danach mache ich etwas fürs ZDF, und im März kommt ein Fernsehfilm mit Simone Thomalla.
Interview: Heiko Baumann
"Iron Sky": Götz Otto als Klaus Adler, Nazi hinterm Mond
Foto: Polyband
Hotel Ritz Carlton, Potsdamer Platz, zur Berlinale-Zeit im Februar 2012. Während nebenan Udo Kier gut gelaunt gleich alle wartenden Journalisten zu sich ins Interviewzimmer einlädt ("Wer will
noch mit mir reden? Alle rein!"), erzählt Götz Otto ganz entspannt von "Iron Sky".
TV SPIELFILM Hatten Sie Angst, dass Sie mit dieser Satire auch die Falschen ansprechen könnten?
GÖTZ OTTO Total. Besonders bei den ersten Trailern mit der Laibach-Musik hab ich gedacht: alter Schwede... Ich hatte lange Diskussionen mit Timo, dem Regisseur. Ich hab gesagt, dass
ich keine Lust habe, auch nur den Anschein zu erwecken, in rechtes Fahrwasser zu geraten. Zum Glück sind wir weit davon entfernt, aber zwischendrin hatte ich echt Schiss.
Und jetzt sind Sie zufrieden?
GÖTZ OTTO Ja. Es ist erstaunlicherweise Popcornkino geworden, und zwar im besten Sinne.
Die Frage ist nur, gehen die Leute dafür ins Kino?
GÖTZ OTTO Ja, da bin ich sehr gespannt. Mein Schwiegervater würde wohl nicht ins Kino gehen. aber ich kenne viele, die sich auf den Film freuen wie Schnitzel.
Stört Sie das Etikett "Bond-Bösewicht" eigentlich noch?
GÖTZ OTTO Es hat mich mal gestört, aber das ist lange her. Dass ich so viel international arbeite, habe ich immer noch Bond zu verdanken.
Was sagen Sie zum TV-Erfolg der "Wanderhure", in dem Sie auch mitspielen?
GÖTZ OTTO Der Erfolg hat nicht monokausal mit mir zu tun. (lacht) Da spiele ich einen König, der Kaiser werden will, insofern bin ich da ziemlich nah dran an Klaus Adler aus
"Iron Sky".
Interview: V. Bleeck
AZ: Herr Otto, Sie sind extra für den Kampfabend mit Christine Theiss von Dreharbeiten in London nach München eingeflogen worden. Sie dürften Ihr Kommen nicht bereut haben,
oder?
GÖTZ OTTO: Definitiv nicht. Das war mein erster Kickbox-Kampfabend, aber ich war schon auf vielen Box-Veranstaltungen, qualitativ war das hier aber die höchstwertige Veranstaltung. Ich habe
den Abend und die Kämpfe genossen. Da gab es keine Ausfälle, keine Fallobst-Kämpfe, das war Kampfsport auf allerhöchstem Niveau. Und der Kampf von Christine, mein lieber Mann, das war
superspannend. Ein ganz enges, hartes Ding. Gegen Ende hin hat sie es ja souverän gemacht, aber am Anfang war das schon ein heftiges Stück Arbeit.
Woher kommt Ihre große Begeisterung für den Kampfsport?
Nun, ich war ja mal Ruderer, war da auch Vize-Europameister im Deutschland-Achter. Zum Ausgleich für den Rudersport haben wir damals im Training auch immer wieder Box-Stunden gemacht, da das
von den Übungen her, für das Rudern sehr gut war. Boxen war für uns eigentlich ein perfekter Ausgleichssport. Ich habe es als Boxer zwar nur auf einige Stunden Sparring gebracht, aber die
Faszination für den Sport ist geblieben. Kampfsport ist ein ganz besonderer Sport, der ganz besondere Menschen erfordert, um das nicht nur körperlich, aber auch mental durchzustehen. Ich habe
sehr viel Respekt davor.
Welchen Film drehen Sie gerade in London?
Dort wird gerade Asterix gedreht, ich spiele eines furchtlosen Normannen, der sich auf die Suche nach der Angst macht, weil die ja bekanntlich Flügel verleiht.
Haben Sie die Angst bei diesem Kampf gefunden?
Ja, zwischenzeitlich war mir schon wirklich bange um Christine, in den ersten Runden, da musste sie von ihrer Gegnerin, der Koreanerin Su Jeong Lim, teilweise sehr harte Treffer nehmen. Da
habe ich schon die Angst gefunden. Die Angst um Christine.
Weltberühmt wurden Sie als der Bösewicht Mr. Stamper in dem James-Bond-Thriller „Der Morgen stirbt nie”. Diese Kult-Filme sind nebenbei auch immer für die umwerfenden Bond-Girls berühmt.
Wäre Christine Theiss, die auch schon Schauspiel-Erfahrung hat, nicht eine gute Besetzung dafür?
Absolut. Christine sieht gut aus, hat Ausstrahlung, kann sich bewegen. Sie hat definitiv Potenzial, da könnte man was draus machen. Ich denke, sie wäre ein sehr gutes Bond-Girl, ja.
Ein Finne hatte das Sagen, und das merkt man: “Iron Sky” (Kinostart: 5. April) ist eine Nazi-Persiflage, die sich ein deutscher Regisseur wahrscheinlich nicht getraut hätte. Da aber alles auf das
Kommando von Timo Vuorensola hörte, darf nun herzlich gelacht werden. Über Nazis – was man hierzulande nicht so gerne macht. Das weiß auch Götz Otto: Der 44-jährige Schauspieler spielt eine der
Hauptrollen: den unheimlich bösen Nazi-Offizier Klaus Adler. Mit Bösewichtern kennt sich Götz Otto zwar aus, er war immerhin schon Bond-Gegenspieler in “Der Morgen stirbt nie”, aber einen Nazi
als Karikatur zu spielen – das bereitete ihm doch hin und wieder Bauchschmerzen. Andreas Fischer hat sich mit dem Schauspieler unterhalten.
chilli: Ist die Zeit reif, sich über Nazis lustig zu machen?
Götz Otto: Ich find’s großartig, einen Film ins Kino zu bringen, bei dem man über eine Sache lachen kann, über die man normalerweise – zu Recht – nicht lacht. Es tut uns
Deutschen manchmal ganz gut, nicht immer alles mit einer extremen Bedenkenträgerhaltung zu betrachten. “Iron Sky” ist kein Film, der die Nazis verherrlicht – im Gegenteil. Er führt das ganze
Herrenmenschentum, den Rassenwahn ad absurdum.
chilli: Und zwar mit Erfolg: Wie sehr hat Sie der “Iron Sky”-Hype auf der Berlinale überrascht?
Otto: Es hat mich überrascht, dass wir überhaupt angenommen wurden. Wobei ich es großartig fand, dass wir dort stattfanden. “Iron Sky” ist nun mal kein typischer
Arthaus-Festivalfilm.
chilli: Aber “politisch anspruchsvoll” …
Otto: (schmunzelt) Okay, es gibt den einen oder anderen Witz. Aber man bleibt doch trotzdem politisch sehr korrekt dabei.
chilli: Man hatte etwas mehr Giftigkeit erwartet …
Otto: “Iron Sky” ist nicht der kontroverse Film, den vielleicht viele erwarten oder der politisch unkorrekte Wahnsinns-Trash. Nein: Er ist Mainstream-Popcorn. Das ist allerdings
auch eine Qualität, die ein Film erst einmal erreichen muss. Auch wenn frühere Drehbuchversionen noch viel schräger waren: Der Film ist unheimlich witzig. Viele absurde Ideen akzeptiert man
allerdings einfach, ohne groß darüber nachzudenken.
chilli: Zum Beispiel?
Otto: Dass die Nazis mit einer archaischen Kampftechnik zum Angriff auf die Erde blasen: Sie werfen Steine! Okay, es sind große Steine, Meteoriten. Aber sie haben einfach
Schleudern an ihre Raumschiffe gebaut. Eine klasse Idee, die zeigt, dass die Nazis eben immer noch in der Steinzeit leben. Dennoch: Ich habe ein bisschen Angst, dass die Leute einen politisch
unkorrekten Film erwarten. Denn das ist er nicht. Was ich gar nicht so schlecht finde, weil ich bisweilen befürchtete, dass der Film missverstanden und in eine rechte Ecke gerückt werden könnte.
Als ich die ersten Trailer sah und die düster-stampfende Filmmusik von Laibach hörte, dachte ich: “Oh Mann, das kann man eigentlich nicht machen.”
chilli: Dachten Sie zwischenzeitlich mal daran, auszusteigen?
Otto: Überhaupt nicht. Ich fand das Projekt immer fantastisch und wusste, dass die Macher keine “Thor Steinar”-Klamotten tragen. Ich hatte eben nur manchmal die Befürchtung, dass
sie zu unbedarft rangehen. Mir war es wichtig, dass “Iron Sky” nicht ambivalent genug wird, um als rechter Propagandafilm missverstanden werden zu können. Wie gesagt: Bei den Trailern war ich mir
da manchmal nicht ganz sicher. Den Finnen ist das allerdings völlig wurscht. Die haben zum Beispiel beim SXSW-Festival in Austin, Texas, einen Kornkreis in Hakenkreuz-Form angelegt und drüber
geschrieben “We Come In Peace”. Das würde kein Deutscher machen. Natürlich nicht.
chilli: Wie ernsthaft kann man bleiben, wenn man Sätze wie “Heil Kortzfleisch!” sagen muss?
Otto: Ich war total gegen den Namen Kortzfleisch. Damit kann doch niemand Führer werden. Das habe ich dem Regisseur Timo Vuorensola auch gesagt. Aber er blieb standhaft. Es gab
massenhaft Szenen, bei denen ich nicht ernsthaft bleiben konnte. Vor allem, wenn ich mit Udo Kier und Tilo Prückner drehte – die beiden sind wahnsinnig komisch.
chilli: Die Nazis wurden alle von Deutschen gespielt: Haben Sie, Julia Dietze, Udo Kier und Tilo Prückner dem finnischen Team überhaupt Input
geben können?
Otto: Klar. Allein schon wegen der Tatsache, dass wir die Hälfte des Films in Deutsch drehten, einer Sprache, die Timo Vuorensola nicht versteht. Sätze wie “Wir sehen uns in
Walhalla” oder “Ein wunderhübscher Schädel für Odins Tafel” haben wir uns ausgedacht – also diesen ganzen kruden nordisch-mythologischen Schwachsinn, auf den die Nazis so abfuhren.
chilli: Sie haben schon öfter Nazis gespielt, zum Beispiel in “Der Untergang” und “Schindlers Liste”. Ist es einfacher, Nazis als Parodie zu
spielen?
Otto: Normalerweise schaut man immer nach dem Menschen hinter der Uniform, man sucht die reale Figur. Hier ging’s aber darum, die Figur möglichst groß aufzublasen. Da menschelt
nichts, und das macht einen Heidenspaß. Hier geht’s nur darum, “böse as böse und Nazi as Nazi can be” zu sein.
chilli: Sie haben damit offensichtlich einen Nerv beim Publikum getroffen.
Otto: Die Berlinale-Vorstellungen waren in gefühlten 20 Sekunden ausverkauft. Ich fand es ganz erstaunlich, wie sich “Iron Sky” im Internet verselbständigt hatte. Über den Film
wurde schon seit Jahren geredet: Als ich 2009 in Budapest “Säulen der Erde” drehte, sprachen mich Kollegen darauf an. Ich wusste ehrlich gesagt selber noch nicht, dass “Iron Sky” wirklich
stattfinden wird. Aber die wussten es.
chilli: Wie? Sie wussten nicht, dass Sie auf der Besetzungsliste standen?
Otto: Natürlich. Ich bin seit sechs Jahren bei dem Projekt. Aber dass der Film wirklich gedreht werden würde, stand lange nicht fest.
chilli: Gab es in dieser Zeit einen Moment, an dem Sie dachten: Das wird nichts!
Otto: Permanent. Je länger ein Projekt dauert, umso wahrscheinlicher ist ein Scheitern. Wenn die Finanzierung im ersten oder zweiten Anlauf nicht steht, wird es später immer
schwieriger. Hier war es aber so, dass es einen Grundstock gab und im Internet ein Hype entstand, der letztendlich hilfreich war.
chilli: Die Internet-Community hat dem Vernehmen nach fast eine Million Euro zum Budget beigetragen – durfte Sie dafür mitbestimmen?
Otto: Naja, da ging es wohl maximal um Artwork-Vorschläge: Wie sollen die Zeppeline aussehen und solche Sachen. Es ist unmöglich, einen Film demokratisch zu machen – dafür würden
weder Zeit noch Geld ausreichen. Was ich beim Prinzip Crowdfunding allerdings interessant finde: Bekommen die Leute, die viel Geld gegeben haben, ihren Einsatz zurück, wenn der Film erfolgreich
wird? Und wird eventuell auch noch etwas draufgepackt? Das ist wichtig, ansonsten ist das Modell mittelfristig zum Scheitern verurteilt.
chilli: Sie glauben nicht, dass die Internetcommunity einfach nur Projekte unterstützen will, die ihr am Herzen liegt?
Otto: Wenn es um kleine Beträge geht, fünf, zehn oder 20 Euro dazugeben – ja. Wenn die Leute aber richtig Geld reinstecken, 10.000 oder 20.000 Euro, wie es bei “Iron Sky” vorkam,
dann machen die das nicht, um eine verrückte Idee zu fördern. Das ist zu viel Geld.
Fotos: 2012 polyband Medien GmbH
MICHAEL MAIER Der Schauspieler Götz Otto (41) ist dem Kinopublikum insbesondere als wasserstoffblonder Fiesling aus dem Bond-Film „Der Morgen stirbt nie" von 1997 bekannt: „Stamper" ist der Assistent des machtgierigen Medienunternehmers Elliot Carver und macht Bond-Darsteller Pierce Brosnan über den Dächern von Hamburg das Leben schwer. Im Repertoire hat Otto aber auch andere Rollen – zum Beispiel als Beinahe-Lover von Penélope Cruz. Der Sohn eines Bäckers aus dem hessischen Dietzenbach ist verheiratet und hat vier Kinder. Auf Mallorca engagiert er sich für die Delphin-Therapie.
Wie wurden Sie zum Nachfolger des legendären ´Beißers´ aus den historischen James-Bond-Filmen?
Zum ersten Casting am Piccadilly Circus in London wurde ich von einem livrierten Chauffeur mit der Limousine abgeholt. Ich hatte 20 Sekunden Zeit für meine Vorstellung mit den Worten ´I´m
big. I´m bad, I´m bold. I´m German. That´s five seconds, keep the rest.´ Das kam bei der jungen Produzentin offensichtlich nicht schlecht an, obwohl ich damals ´nur´ Theater-Schauspieler
war.
Wann spielen Sie bei Bond wieder einmal den Fiesling?
Leider nie wieder, denn ich bin ja tot. Am Ende von ´Der Morgen stirbt nie´ explodiere ich mit einer Cruise Missile. Genauso wie die Bond-Girls sind die Bösen immer nur einmal mit dabei. Einzige
Ausnahme war Richard Kiel. Er durfte zweimal den Beißer spielen. Gefühlt dürften es für das Publikum zwar 44 Mal gewesen sein. Tatsächlich gab es den Beißer aber nur in ´Der Spion, der mich
liebte´ sowie in ´Moonraker´ Ende der 70er Jahre.
Wer war für Sie der beste Bond aller Zeiten?
Sean Connery war für mich eine Bond-Ikone. Danach hat jeder Darsteller eine eigene Figur kre-iert und auf seine Art auch gelungen interpretiert. Daniel Craig hat mir in ´Casino Royale´ ganz gut
gefallen. ´Ein Quantum Trost´ war nicht so mein Geschmack, weil der Film sehr ernst, böse und tough ist und wahnsinnig viel Action bringt. Auf der anderen Seite fehlen ganz viele Sachen, zum
Beispiel der Witz und der Tüftler ´Q´ mit seinen technischen Tricks. Das sind aber genau die Dinge, die den geistreichen Charme von Sean Connery oder Roger Moore ausgemacht haben. Aber das ist
natürlich Geschmackssache.
Worin liegt die Faszination der Bond-Filme?
Die Handlung ist irgendwie größer als das normale Leben. Außerdem wurde mit Bond das Genre Action-Film ganz neu erfunden. Auch heute bedienen sich noch ganz viele Produktionen an diesem
Grundmuster.
Was hat sich bei James Bond verändert?
Vor allem die Bösewichte. Statt schwarz-weiß sind sie jetzt eher grau. Die negativen Figuren werden viel differenzierter und anspruchsvoller. ´Dominic Greene´ alias Mathieu Amalric im neuesten
Film gibt sich ja zum Beispiel als Umweltschützer und Menschenfreund.
Ein KZ-Scherge in ´Schindlers Liste´, SS-Mann Otto Günsche in ´Der Untergang´. Warum spielen Sie immer die Bösen?
Das kann man sich als Schauspieler nicht immer aussuchen. Ich wähle natürlich die interessantesten Angebote aus, bin aber schon ein bisschen in dieser Schublade. Auch wegen meiner Größe von 1,98
Meter bin ich auf spezielle Rollen festgelegt. Ich spiele aber auch am Theater und in internationalen Filmen zum Beispiel in skandinavischen Produktionen oder bei Fernando Trueba. In ´La niña de
tus ojos´ verliebt sich zum Beispiel Penélope Cruz in mich. Leider kommen wir nicht zusammen, weil ich einen Schwulen spiele. Übrigens kann ich weder Spanisch noch Schwedisch. Damit die Sätze aus
dem Drehbuch gut klingen, übe ich mit einem Dialog-Trainer.
Wird man als Darsteller in Nebenrollen Millionär?
Natürlich nicht, aber es ist ein schöner Beruf. Weil ich international unterwegs bin, spüre ich die Krise nicht so wie andere. RTL hat zum Beispiel wegen der niedrigeren Werbeeinnahmen zurzeit
alle Fernsehfilme auf Eis gelegt. Soziales Engagement ist auch dann wichtig, wenn man keine Millionen verdient. Ich engagiere mich zum Beispiel für die SOS-Kinderdörfer, für Waisenkinder in
Rumänien und natürlich für ´Dolphin Aid´.
Warum die Delphin-Therapie?
Weil es eine tolle Idee ist. Ich bin Botschafter von ,Dolphin Aid´, weil diese Art der Therapie für Kinder eine echte Initialzündung sein kann. Das beweisen auch Studien. Ich setze mich dafür ein
und errege Aufmerksamkeit für die Stiftung.
Der Schauspieler übers Pokern und James Bond - Mit "The King's Speech" zweimal in Schweinfurt
Götz Otto: Ich habe den Film einmal gesehen, damals, als er rauskam. Da habe ich gerade in Australien gedreht. Seitdem habe ich ihn nicht noch mal angeguckt, nicht, weil ich ihn nicht gut fand oder nicht interessant. Aber ab dem Moment, ab dem klar war, dass ich den stotternden König in dem Stück spiele . . .
. . . vor dem Film stand ja das Bühnenstück, das aber nie aufgeführt worden war.Otto: Das Theaterstück gab's zuerst, ja. In den 80er Jahren hatte der Drehbuchautor David Seidler die Geschichte recherchiert, aber er hatte einen Deal mit Queen Mum, die ja auch vorkommt. Sie war die Frau von George VI., den ich spiele. Die Abmachung war, dass das Stück nicht herauskommen darf, solange Queen Mum lebt, weil es sie emotional zu sehr betraf. Dann ist sie gestorben, Seidler arbeitete den Stoff zu einem Theaterstück um. Ich glaube, die Mutter von dem Filmregisseur machte ihren Sohn auf das noch unveröffentlichte Stück aufmerksam. So ist letztlich dann erstmal der Film entstanden.
Der gleich vier Oscars bekam, als bester Film, für die beste Regie und das Originaldrehbuch, außerdem erhielt Hauptdarsteller Colin Firth den Goldzwerg für die Rolle, die Sie nun auf der Bühne geben. Vergleicht man sich da nicht automatisch mit dem Filmvorgänger?Otto: Nein, ich versuche das so zu spielen, wie ich es für richtig halte, und orientiere mich an nichts anderem als an der textlichen Vorgabe, an der Figur, wie ich sie mir zusammenbaue, und an der Situation, dass ich auf 'ner Bühne stehe und nicht direkt vor der Kamera. Das ist ein großer Unterschied, da muss man ganz anders spielen. Da wäre es hinderlich, wenn ich versuchen würde, die Oscar-prämierte Darstellung von Herrn Firth nachzumachen. Das wäre grauenvoll.
Was haben Sie eigentlich mit den 50 000 Euro gemacht, die Sie bei einer Pokerveranstaltung im Fernsehen gewonnen haben?Otto: Was ich damit gemacht habe? Ich habe vier Kinder, viele Mäuler, die jeden Tag gestopft werden müssen (er lacht). Ich habe mir kein Auto gekauft oder sowas.
Pokern Sie regelmäßig?Otto: Nein, nein, ich habe seitdem nie wieder gespielt, weil ich mir dachte, so eine geile Nummer passiert nie mehr. Zu dem Zeitpunkt, Ende 2010, haben wir gerade „Iron Sky“ gedreht, und ich habe während der Dreharbeiten ein Buch gelesen. Es gibt diese Reihe, „Apple For Dummies“, „Driving For Dummies“ und so weiter. Ich habe „Texas Hold'em For Dummies“ gelesen. Mit diesem Buch habe ich mich auf die Sendung vorbereitet. Es hat geklappt. Das war großartig. Da sollte ich dem Verlagschef noch danken (er lacht).
Sie drehen regelmäßig auch international. Was machen Sie denn richtig, oder was machen viele Ihrer deutschen Kollegen falsch?Otto: In diesem Punkt sind falsch und richtig die verkehrten Parameter. Ich hatte natürlich riesengroßes Glück mit Bond und auch mit „Schindlers Liste“. Wenn man einmal einen Fuß in so einem Markt hat, dann ist es viel, viel einfacher, da weiterzumachen. Ich habe den großen Vorteil, dass ich Englisch und Französisch fließend spreche, ich habe auch schon auf Norwegisch und Spanisch gedreht. Sprache ist nicht mein Feind, das ist ein großer Vorteil. Aber im Prinzip muss man sagen: Natürlich hilft so etwas wie Talent oder Ausstrahlung. Aber der größte Faktor unseres Berufes ist und bleibt Glück.
Ihre Rolle als Stamper, Handlanger des Bösewichts in dem Bond-Film „Der MORGEN stirbt nie“, haben Sie angeblich einem Geniestreich zu verdanken. Sie sollen nur 20 Sekunden Zeit gehabt haben, um sich bei Produzentin Barbara Broccoli vorzustellen . . .Otto: Das war so absurd, ich dachte: „Was soll ich denn da jetzt sagen?“ Ich bin doch nicht Dieter Thomas Heck, dass ich in 20 Sekunden ein Vorstellungsgespräch hinkriege.
Deshalb haben Sie angeblich gesagt: „I'm big, I'm bad, I'm bald, I'm German. Five Seconds, keep the Rest.“ („Ich bin groß, ich bin böse, ich bin glatzköpfig, ich bin Deutscher. Fünf Sekunden, behalten Sie den Rest.“). Da gehört viel Mut dazu.Otto: Och, da kann ich nur einem inspiratorischen Funkenflug danken. Ich habe darüber in keinster Weise nachgedacht. Und mit Mut hat das auch nix zu tun. Ich hatte vorher lange mit dem Regisseur gesprochen, und der hat immer nur gefragt: „Was haben Sie denn bisher gemacht?“ Da konnte ich nicht viel vorweisen außer Theater, und das war ihm offenbar nicht genug. Dann kam ich eben zur Produzentin, und zu verlieren hatte ich ja eh nichts mehr. So hab' ich nun eine nette Anekdote (er lacht).
Stört Sie das Image Bond-Bösewicht eigentlich noch?Otto: Es gab eine Zeit, aber auch nicht lange, in der ich dachte: „Mensch, Leute, reduziert mich doch nicht auf Bond-Bösewicht, außerdem: Was soll das denn sein? Ich bin Schauspieler.“ Ich habe die Rollen nicht gezählt, die ich seitdem gespielt habe, aber trotzdem heißt es: Bond-Bösewicht. Das ist ein Stigma, klar, aber es gibt sicherlich dramatischere und schrecklichere Stigmata als Bond-Bösewicht. Die Tatsache, dort gespielt zu haben, hat mir auch international viele Türen geöffnet. Es sind nicht immer Mega-Kassenschlager dabei und häufig auch Filme, die bei uns gar nicht laufen, leider. Aber wenn man, so wie ich, knapp zwei Meter groß ist, dann gibt's auch gar nicht so viele Rollen. Ich bin gottfroh, dass ich so viele Märkte bespielen kann, dass ich in Frankreich, Spanien und Skandinavien arbeiten kann. Weil ich schon auch ein besonderer Typ bin. Und da hat Bond selbstverständlich geholfen, um mir diese Märkte zu eröffnen.
Unabhängig davon – es wird wohl auch größere schauspielerische Herausforderungen geben als den Stamper, oder?Otto: Ja, natürlich, wobei: Es war auch gar nicht so einfach (er lacht). Aber Sie haben natürlich vollkommen recht: Die schauspielerische Herausforderung ist bei Actionfilmen generell, egal, wen man spielt, überschaubar.
König George VI. ist eine andere Liga?Otto: Auf jeden Fall.
Wie schwierig ist es, stottern zu lernen? Oder fiel es Ihnen leichter, weil Ihnen Sprachen liegen?Otto: Es gibt sicherlich Rollen, mit denen muss man sich nicht so viel und intensiv beschäftigen. Was natürlich enorm mit dem Stottern zu tun hat. Das ist nicht einfach, vor allem, weil es natürlich wirken muss. Ich kann natürlich stttttttttttoootttttttttern, stooooootttteeeeeeern. Irgendwie. Aber das Publikum muss es glauben, es darf kein technischer Vorgang bleiben. Ich habe mich mit dem Selbsthilfeverband der Stotterer in Verbindung gesetzt, ich war bei ein paar Logopäden, habe meinen alten Sprechlehrer aus der Schauspielschule getroffen. Ich habe mir auch diverse Übungen geben lassen, damit ich dieses Stottern nicht auf ewig beibehalte (er lacht).
Ein ganz wichtiges Werkzeug eines Schauspielers ist die Sprache . . .Otto: Ich lerne wahnsinnig viel gerade. Ich rede gerne, und manchmal kommt auch der eine oder andere Satz aus meinem Mund, der bei ein bisschen Reflexion vielleicht nicht rausgekommen wäre. Es ist hochinteressant: Wenn man auf der Bühne steht und stottert – wie viel Zeit man hat, einen Gedanken zu fertigen . . . Es gibt diesen schönen Aufsatz von Kleist „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“. Es ist toll zu realisieren, wie viel Zeit man hat, einen Gedanken zu formulieren. Das sollte ich in mein sonstiges Leben implantieren (lacht).
Der Schauspieler, geboren am 15. Oktober 1967 in Offenbach, besuchte die Universität für Musik und darstellende Kunst Graz und die Münchner Otto-Falckenberg-Schule. Noch während seiner Ausbildung übernahm er Rollen am Schillertheater in Berlin und an den Münchner Kammerspielen. Im Fernsehen war Otto in unterschiedlichsten Genres zu sehen – von Action über romantisches Melodram bis zur Komödie. Er spielte in „Polizeiruf“- und „Tatort“-Folgen mit sowie in den „Wanderhuren“-TV-Filmen. Derzeit ist er im Kino in „Asterix & Obelix – Im Auftrag Ihrer Majestät“ und „Cloud Atlas“ zu sehen. Otto ist verheiratet, hat drei Töchter und einen Sohn und lebt mit seiner Familie in München. Am Freitag, 21., und Samstag, 22. Dezember, gastiert Otto mit Steffen Wink und dem Stück „Die Rede des Königs (The King's Speech)“ im Schweinfurter Theater. Karten gibt es unter: Tel. (0 97 21) 51 - 49 55 oder 51 - 0.
Das Gespräch führte Thomas Brandstetter